Der Reinacher Preis 2024 geht an zwei Reinacher Persönlichkeiten
Sie kennen sich ein Leben lang. 1942 sind sie gemeinsam in den Kindergarten in Reinach gekommen und von der Primarschule bis und mit Realschule waren sie zusammen. Der Kontakt hat bis heute gehalten, auch wenn sie sich mittlerweile fast nur noch an den Klassenzusammenkünften sehen. Denn dazwischen haben ihre Leben ganz andere Wege eingeschlagen. Dass sie jetzt beide gleichzeitig den Reinacher Preis erhalten, hat trotzdem einen gemeinsamen Nenner: Ihre Liebe zu und damit ihr Engagement für Reinach.
Die ältere Generation kennt Irma Meyer noch als «em Rössli-Theo sy Tochter», denn ihre Eltern und Grosseltern waren 80 Jahre lang Wirtsleute im Restaurant Rössli. Sie erzählt mit einem Strahlen im Gesicht, wie sie es als Mädchen als Privileg empfand, ihre Freundinnen an ihrem Geburtstagsfest ins Rössli einladen zu können, wo ihnen Schoggicrème mit Rahmtupfern serviert wurde. Als ihre Eltern pensioniert wurden, hat sich Irma Meyer als erst 40-Jährige ebenfalls vom Wirten zurückgezogen und fortan am Empfang eines Therapiezentrums in Basel gearbeitet. Trotzdem sieht man sie auch heute noch im Rössli, beispielsweise wenn sie sich einmal im Monat mit ehemaligen Schulgspänli dort trifft. Bescheiden erzählt sie, wie sie damals als 17-Jährige nach London geflogen war, wo sie Englisch lernte. So allein in der Welt zu sein als junge Frau, das fand sie interessant und darum hat sie erneut, diesmal während eines Jahres und in Genf, die Wirtefachschule besucht und abgeschlossen. Ganz von hier wegzugehen, das wäre für sie nie in Frage gekommen, denn hier kennt sie sehr viele Leute, pflegt langjährige Freundschaften und fühlt sich wohl und gut eingebettet. Dass sich Reinach in all den Jahren stark verändert hat, hat sie stets mit Interesse und Wohlwollen beobachtet. Sie hatte im Rössli den Aufschwung nach den Kriegsjahren miterlebt, als sie eine Kegelbahn eröffneten und Bankette organisierten, und gesehen, wie sich die Bevölkerungszahl und damit verbunden die Umgebung veränderten. «Früher war längst nicht alles besser», sagt sie, «es war einfach anders».
Noch immer ist sie als älteste Chüechlifrau dabei, aber auch sonst engagierte sie sich für die Vereine, so als Fahnengotte der Musikgesellschaft Konkordia und der Frauenriege. 2018 hat sie eine Stiftung gegründet, damit sie mit ihrem Vermögen Personen in Reinach unterstützen kann, die nicht so auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Selbst im Rampenlicht zu stehen behagt ihr eigentlich nicht. Sie ist viel zu bescheiden und blickt dankbar auf Ihr Leben zurück. Über die Anerkennung der Gemeinde mit dem Reinacher Preis hat sie sich zunächst gewundert, aber natürlich freut sie sich sehr, wie sie betont.
Auch Theo Heimgartner war überrascht über die Ehrung, weil er seit fast sechzig Jahren nicht mehr in Reinach wohnt. Er war als Vierjähriger ins Dorf gekommen, war Teil der vielseitig aktiven Pfarrei, besuchte die sich rasch entwickelnden Schulen, studierte von hier aus Geschichte und begann in Reinach seine Lehrerjahre. Wegen der gemeindepolitischen Funktionen seines Vaters, Kirchgemeindepräsident und Mitglied des Gemeinderats, erhielt er früh Einblick in Themen und Mechanismen der Gemeindepolitik, mit Informationen des Vaters und – ganz wichtig – mit oft von Seufzern begleiteten Kommentaren der Mutter.
Diese Periode endete 1966. Theo Heimgartner zog wegen seiner beruflichen Entwicklung vorerst nach Zug und 1970 nach Olten, wo er während 30 Jahren Geschäftsführer der Samariter Schweiz war. Dadurch wurden die Verbindungen zu Reinach schwächer und zur Beschäftigung mit geschichtlichen Themen blieb keine Zeit.
Das änderte sich im Jahr 2000. Nach der Pensionierung begann Theo Heimgartner seine persönlichen Jugenderinnerungen, gute und problematische, mit den in Archiven verwahrten Quellen in Verbindung zu setzen. Er fragte sich: Was ist tatsächlich geschehen? Wie ist das Geschehene zu erklären? Das so erarbeitete Wissen wollte er mit der Art der Darstellung und mit der Form der Publikation möglichst vielen zugänglich machen. Er wollte nicht die Zahl fachhistorischer Arbeiten vermehren, sondern Reinach die jüngere Geschichte in Erinnerung rufen.
Nach dieser Vorgehensweise sind im Verlauf der letzten Jahre sieben Publikationen entstanden: «I ha se ghöre sure, sie fliege obedure, Kindheit in Reinach 1939–1945» (2004), «Kulturkampf im Birseck» (2011), «Katholische Jugendjahre in Reinach 1945–1965» (2013), «Sekundarschule Reinach, Vorgeschichte und Anfangsjahre» (2014), «Wie Reinach sein Wasser suchte» (2016), «Baselstr. 5, Geschichte eines Hauses» (2021), «Xaver Feigenwinter, Volkskundler und Poet» (2022).
Offen für ein neues historisches Thema schreibt Theo Heimgartner aktuell kurze Essays. Weil er sich diese auf den Spaziergängen mit seinem kleinen Hund ausdenkt, macht er sie jährlich unter dem Titel «Hund sei Dank» einem kleinen Leserkreis zugänglich.
Die Zufriedenheit von Irma Meyer und Theo Heimgartner im Rückblick auf ihr langes Leben ist beiden ins Gesicht geschrieben. Und ja, natürlich freuen sie sich trotz aller Bescheidenheit und Überraschung auch darüber, dass der Gemeinderat beschlossen hat, ihnen beiden im Jubiläumsjahr «850 Jahre Reinach» gemeinsam den mit 5000 Franken dotierten Reinacher Preis 2024 zu verleihen.
Die Verleihung des Reinacher Preises an Irma Meyer und Theo Heimgartner vermittelt spannende persönliche Bilder von Reinach vor und während der grossen Wachstumsphase. Dieser persönlich geprägte geschichtliche Aspekt und das grosse Engagement der Beiden für Reinach haben den Gemeinderat bewogen, sie mit dem Reinacher Preis zu ehren.
(Textmitarbeit: Irma Meyer und Theo Heimgartner)